Beate Rosenthal kennt als Marketingmanagerin sowohl die Vorreiter der neuen Arbeitswelt, aber auch Unternehmen, die noch auf dem Weg zum neuen „Normal“ sind. Im Interview mit GENERATION Homeoffice spricht sie über diese Veränderungen und erklärt, wie man auch virtuell kreativ arbeiten kann.
GENERATION Homeoffice: Als Marketing-Chefin bist Du es ja gewohnt, auf Veränderungen flexibel zu reagieren. Wie hast Du die Umstellung auf das Homeoffice erlebt?
Beate Rosenthal: Der entscheidende Punkt ist, von wo das Unternehmen bei der Umstellung gestartet ist. Bei Google beispielsweise wurde jede Onlinekommunikation schon längst standardmäßig per Video durchgeführt. Daher ging die Umstellung leichter, denn die Mitarbeiter sind gewohnt in einem virtuellen Umfeld zu arbeiten.
Bei traditionellen Unternehmen ist die Veränderung größer. Daher ist auch der Bedarf an Change Management, Leadership und dem Vorleben der neuen Prozesse viel größer. Dazu kommen die technischen Voraussetzungen. Wir verlieren häufig viel Zeit bei virtuellen Meetings, wenn die Technik ausfällt. Das stört den Meeting-Fluss, man muss Dinge wiederholen. Das führt dazu, dass die Aufmerksamkeit nachlässt.
Was ist die größte Herausforderung?
Damit der Change Prozess gelingt, braucht man Innovatoren und sogenannte Early Adopters, also Menschen, die früh mit an Bord sind. Es gibt immer Mitarbeiter, die technisch affiner sind. Sie können den Kollegen dann bei der Umstellung helfen.
Wir haben bei uns zum Beispiel den Tipp der Woche eingeführt. Daraus wurde ganz schnell der Tipp für virtuelles Arbeiten. Dabei geht es oft um ganz simple Dinge, beispielsweise, wie ich mit Teams auf einem Bildschirm präsentiere und auf dem anderen Bildschirm das Team sehen kann. Oder wie ich Dateien vom Sharepoint synchronisiere.
Gefühlt hat man doch jetzt noch mehr Meetings als vorher. Wie behält man da den Überblick?
Dafür kann man taktische Tools verwenden. Eins davon ist, Meetings so einzustellen, dass sie fünf Minuten vor der Zeit zu Ende gehen. Oder man setzt Blöcke mit meetingfreien Zeiten im Kalender. Man muss aber als Führungskraft auch selbst vorleben, dass es ok ist ein Meeting zu verlassen.
Homeoffice, Büro oder hybrid – was bringt die Zukunft?
Ich persönlich glaube sehr stark an die hybriden Modelle. Studien besagen, dass in Firmen, die zu 100 Prozent remote arbeiten, die Produktivität mindestens genauso hoch ist – oder sogar höher. Ein großer Vorteil der Remote-Arbeit ist, dass man schneller Entscheidungen treffen und handeln kann. Außerdem sind die Mitarbeiter zufriedener, weil sie Beruf und Privatleben besser vereinbaren können und der tägliche Arbeitsweg wegfällt.
Aber nicht für jeden sind die Bedingungen im Homeoffice ideal. Das sieht man gerade bei den Millenials, die in der Beratung arbeiten. Sie haben sich oft kleine Wohnungen gemietet, weil sie davon ausgegangen sind, ohnehin die meiste Zeit unterwegs zu sein. Deswegen gehen sie lieber ins Büro als im Homeoffice zu arbeiten.
Ich war immer in einem Umfeld, in dem ich öfter mal Homeoffice gemacht habe. So konnte ich mal morgens an einem Asien-Meeting und abends an einem in den USA teilnehmen. Bei Stada gibt es inzwischen eine Betriebsvereinbarung, die auch nach Corona zwei Tage die Woche Homeoffice vorsieht.
Wie geht Kreativität bei virtuellen Zusammenkünften?
Indem man einen kreativen Prozess gut plant. Das ist entscheidend, damit der Output ähnlich kreativ ist wie bei einem Präsenz-Workshop. Dazu gehört, dass man mehr Raum für Icebreaker-Fragen gibt, die ein Gespräch eröffnen. Als die Friseure wieder geöffnet hatten, haben wir beispielsweise zum Einstieg rumgefragt, wer schon alles einen Friseurbesuch hatte und haben dann erstmal darüber geredet. Außerdem braucht man deutlich mehr Pausen.
Man sollte sich auch trauen, Tools zu nutzen, mit denen man kreativ arbeiten kann. Eine Möglichkeit sind virtuelle Metaplanwände. Dort arbeitet man mit Bildern und Post-its, um Brainstorming zu ermöglichen. Wir setzen auch oft anonyme Umfragetools ein, um ein erstes Stimmungsbild zu einer Marketing-Idee zu bekommen.
Problematisch ist, die Aufmerksamkeit zu erhalten. Man sagt, dass die Aufmerksamkeitsspanne des Menschen inzwischen geringer ist als die eines Goldfischs. Der Goldfisch hat neun Sekunden, der moderne Mensch acht. In der virtuellen Welt bekommen wir noch mehr Reize, was die Aufmerksamkeitsspanne reduziert. Daher muss man das fördern - und sich bewusst sein, dass Dinge, auch wenn sie kommuniziert wurden, nicht immer ankommen. Manchmal muss man daher über verschiedene Wege kommunizieren.
Gibt es ein Erfolgsrezept für erfolgreiches Remote-Arbeiten?
Wichtig sind Dokumentation und ständige Verbesserung. Remote Work braucht mehr und noch transparentere Dokumentation, um Wissen auszutauschen und sicherzustellen, dass alle auf dem neuesten Stand sind. Allerdings sollte man sich auf das Wesentliche konzentrieren und alles Überflüssige weglassen.
Auch der soziale Austausch ist unerlässlich, so wie der Watercooler-Talk, Treffen in der Kaffeeküche oder gemeinsame Mittagessen. Daher wird es auch in Zukunft Zusammentreffen geben. Es braucht Austausch, gerade im Marketing. Das führt zu besseren Ergebnissen. Wir haben daher auch online viele Teambuilding-Aktivitäten gemacht. Beispielsweise sollten bei einem Event alle Teilnehmer ihren Lieblingsort als Bildschirmhintergrund wählen und ihr Lieblingsgetränk mitbringen. Oder man macht ganz bewusst zusammengewürfelte Coffee-Talks mit Menschen aus verschiedenen Bereichen.
Und wenn jemand sich gar nicht verändern will?
Letztlich haben wir alle das Bedürfnis dazuzugehören. Darum ist uns der Übergang in die virtuelle Welt auch so gut gelungen. Außerdem hat die Virtualisierung eines großen Teils unserer Kontakte auch das virtuelle Zusammensein in der Familie gefördert. Daher ist die Akzeptanz insgesamt recht hoch - es ist das neue Normal.
Früher habe ich neuen Mitarbeitern gesagt, sie sollen zuerst versuchen persönlich mit den Kollegen zu sprechen, erst dann sollen sie anrufen und nur wenn sie niemanden erreichen eine Mail schicken. Heute ist Instant Messaging Standard, auch wenn es das noch gar nicht so lange gibt. Daten in der Cloud zu haben ist dagegen noch relativ neu. Genauso wie das virtuelle Unterschreiben. Statt tagelang auf Dokumente zu warten, um dann die Unterschrift darunter zu setzen, lädt man sie direkt aus der Cloud und unterschreibt digital. So ist man viel flexibler und kann schneller arbeiten.
Ändert sich damit auch Deine Rolle für die Zukunft?
Ich sehe mich schon lange eher als Coach, der die richtigen Fragen stellt und die Antworten vom Team bekommt. Aber ohne einen Rahmen geht es nicht. Den Mitarbeitern muss klar sein, welche Entscheidungen getroffen werden müssen. Außerdem muss man als Führungskraft Empathie entwickeln für die Sorgen und Nöte der Mitarbeiter.
Ich mache alle zwei Wochen längere 1-zu-1-Sesssions. Aber ich nehme mir auch spontan Zeit, wenn jemand ein Anliegen hat. Mitarbeiter mit Kindern, frage ich, wie es mit dem Homeschooling läuft. Wenn es nicht läuft, suchen wir nach Lösungen beispielsweise über flexible Arbeitszeiten. Solche Probleme tauchen immer wieder auf, es gibt ja viele arbeitende Mütter und Väter. Man kann aber sagen, wir sind in der Realität flexibler geworden als es die Arbeitsschutzgesetze eigentlich hergeben.
Beate Rosenthal ist Marken- und Digitalexpertin – und die Begeisterung für neue Trends Teil ihrer DNA. Auf ihrem Blog Monday Morning Inspiration schreibt sie zu allen möglichen Themen rund um Marketing und Digitale Transformation – unter anderem auch darüber, was man von den Pionieren der Remote-Arbeit lernen kann.